Steigende Energiepreise und Flugbeschränkungen über Russland und seine Nachbarländer erschweren es Unternehmen, Produkte aus China und Europa zu versenden und zu beschaffen. Gleichzeitig steigen die Preise für Beschaffung, Versand und Co.
Der Wunsch nach schneller, kostenloser Lieferung
Verbraucher:innen haben während der Pandemie einen Vorgeschmack auf kostenlose Lieferung am nächsten Tag bekommen – und wollen heute mehr davon. Dies setzt Einzelhändler:innen unter Druck, wie sie Bestellungen erfüllen, wo sie diese abwickeln und wie sie geliefert werden. Einige Einzelhändler:innen haben zusätzliche Lager- und Fulfillment-Standorte näher bei ihren Kund:innen eingerichtet. Das ist eine clevere Lösung, aber die Nachfrage nach Lagerflächen ist hoch. Das macht es wiederum noch teurer und schwieriger, sie zu verwalten.
Gestörte Lieferketten
Die Transportbarrieren in Verbindung mit langen Wartezeiten auf Materialien und Fertigung haben zu unregelmäßigen Lieferketten mit vielen beweglichen Teilen geführt. Wenn eines dieser Teile zum Stillstand kommt, hat das Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette. Patrick Frank, Mitbegründer von Float Factory, erlebt diese Verzögerungen aus erster Hand.
„Das größte Problem in der Lieferkette, mit dem wir konfrontiert sind, besteht darin, dass Sendungen aus dem Ausland nicht mit den vorhergesagten Zeitplänen übereinstimmen“, sagt Patrick. „Obwohl die Versandpreise deutlich günstiger geworden sind als in den Vorjahren und als wir unser Geschäft gestartet haben, ist die Logistik, zu verstehen, wo sich dein Container befindet oder wo sich deine Container überhaupt zu jeder Zeit befinden, immer noch völlig kaputt.“
Lieferkettenengpässe
Einzelhändler:innen erholen sich immer noch von der Pandemie, als die Verbrauchernachfrage hoch war, während gleichzeitig ein Arbeitskräftemangel und globale Unsicherheiten herrschten. Diese logistischen Engpässe bestehen weiterhin. Viele Unternehmen kämpfen immer noch mit den anhaltenden Auswirkungen. Besonders die Häfen leiden weiterhin unter Arbeitskräftemangel, was weltweit zu Versand- und Empfangsverzögerungen führt.
Umgang mit Lieferkettenstörungen: 4 Schritte, die du unternehmen kannst
Viele Lieferkettenprobleme werden zwar voraussichtlich noch länger bestehen. Doch mit den folgenden vier Schritten kannst du ihnen zuvor kommen und die Auswirkungen auf dein Unternehmen minimieren.
1. Halte mehr Lagerbestand
Die beliebteste Methode, um die aktuelle Lieferkettenkrise zu bewältigen, besteht darin, zusätzlichen Lagerbestand zu führen.
Warum? Weil mehr Lagerbestand es einfacher macht, den Bedürfnissen deiner Kund:innen gerecht zu werden. Es hilft dir, die gefürchtete „ausverkauft“-Benachrichtigung zu vermeiden, die sich negativ auf deine Bilanz auswirken kann.
Es ist jedoch wichtig, das Gleichgewicht deines Lagerbestands richtig zu gestalten. Es gibt eine feine Grenze zwischen dem Halten von mehr Lagerbestand und Überbeständen, was zu höheren Lagerkosten führen kann. Stattdessen solltest du deine Verkaufsdaten analysieren und diese nutzen, um deinen Lagerbestand vorherzusagen, basierend auf der Produktpopularität und der Kundennachfrage.
Um sich auf Produktverzögerungen und steigende Nachfrage vorzubereiten, hält The Natural Patch, eine australische Marke für Gesundheit und Wellness für Kinder, einen Puffer von 20 % (d.h. drei Monate Lagerbestand) bereit.
„Unsere Regel ist, dass wir nicht ausverkauft sein dürfen“, sagt Gründer Michael Jankie. „Es geht nicht nur darum, das Marketing für ein Produkt auszuschalten. Es ist ein langsames Herunterfahren; das beeinträchtigt unsere Finanzen.“
2. Diversifiziere deine Produktquellen
Marken mit robusten Lieferketten haben einen Wettbewerbsvorteil. Das bedeutet, Verzögerungen vorherzusehen, sich auf Phasen mit begrenzten Materialien vorzubereiten und so viele Lücken wie möglich von der Herstellung bis zur Lieferung zu schließen.
Eine Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, zu diversifizieren, woher du deine Produkte beziehst. Dies macht dich widerstandsfähiger gegenüber unerwarteten Lieferunterbrechungen – wie globalen Konflikten, Naturkatastrophen oder steigenden Energiekosten – weil du auf andere Produktquellen zurückgreifen kannst.
Eine gute Beziehung zu deinen verschiedenen Lieferant:innen kann ebenfalls helfen, Verzögerungen zu vermeiden.
„Die Zusammenarbeit mit Lieferant:innen bei Prognosen und das frühzeitige Buchen und Verpflichten von Bestellungen hat uns geholfen, einige der längeren Vorlaufzeiten zu reduzieren, die in letzter Zeit eine Herausforderung waren“, sagt Robert Felder, Gründer von Bearbottom Clothing.
Robert und sein Team haben Erfolge erzielt, indem sie mit Lieferant:innen zusammengearbeitet haben, um Stoffe vorzubereiten, damit sie schnelle Entscheidungen treffen können, wenn sie bereit sind, neue Bestellungen aufzugeben.
„Die Implementierung und Verbesserung dieser Best Practices hat geholfen, Kosten zu sparen und gleichzeitig das Wachstum unserer Produktionspartner:innen zu unterstützen“, sagt er. „Dieser Ansatz kommt uns beiden zugute und fördert eine für beide Seiten vorteilhafte Beziehung.“
3. Übermäßige Rücklaufquoten angehen
Hohe Akquisekosten haben die Customer Lifetime Value verringert, aber sie sind nicht die Hauptursache für Probleme – hohe Rücklaufquoten sind es. Allein im Jahr 2020 gaben deutsche Verbraucher:innen 315 Millionen Pakete zurück.
Zusätzlich zu zufriedeneren Kund:innen führen weniger Rücksendungen zu weniger Umweltverschmutzung, weniger Druck auf die Lieferkette und besserem Lagerbestandsmanagement.
Hier sind einige Möglichkeiten, wie du die Rücklaufquoten minimieren kannst:
- Beschreibe Produkte detailliert. Manage die Erwartungen deiner Kund:innen von Anfang an, indem du klare und genaue Beschreibungen der Produkte bereitstellst. Gib eine klare Liste von Maßen, Spezifikationen und Merkmalen an.
- Teile Kundenbewertungen. Beruhige Käufer:innen mit Social Proof von früheren Käufer:innen. Zeige Testimonials und Fotos von zufriedenen Kund:innen, die deine Produkte verwenden.
- Erwecke Produkte zum Leben. Zeige Demonstrationsvideos, 360-Grad-Fotos und sogar Augmented-Reality-Visualisierungen, um vollständige Transparenz über deine Produkte zu bieten.
- Berechne Rücksendekosten. Beispielsweise zieht Zara eine kleine Gebühr von zurückgesendeten Artikeln ab, während sie den Kund:innen weiterhin die Möglichkeit bieten, Produkte kostenlos im Geschäft zurückzugeben.
4. Lieferketten digitalisieren
Lieferketten erfordern schnelle Reaktionen – etwas, das manuell schwierig umzusetzen ist.
Wie sieht die Digitalisierung manueller Lieferkettenprozesse in der Praxis aus?
- Verwendung von Scan-Apps, um Produkte automatisch von einer Phase der Lieferkette zur nächsten zu bewegen und den gesamten Lagerbestand zu verfolgen.
- Verwendung von Software zur Lieferkettenverwaltung, um automatisch neuen Lagerbestand zu bestellen und die Bestandsniveaus zu überwachen.
- Nutzung von maschinellem Lernen oder KI-basierten Lösungen für dynamische Umleitung und mehr.
- Implementierung weiterer Technologien, um eine bessere Sichtbarkeit der Lieferkette zu gewährleisten.
Zukünftige Lieferkettenprobleme: Wo werden die Auswirkungen 2025 und darüber hinaus zu spüren sein?
Es ist sicher anzunehmen, dass die aktuellen Störungen in der Lieferkette anhalten werden. Störungen bei Rohstoffen wie dem industriellen Metallangebot betreffen mehrere Branchen, einschließlich Automobil, Bau und Medizin.
Die Inflationsraten könnten die Verbraucherausgaben reduzieren. Dies wird die Nachfrage nach importierten Waren beeinträchtigen und den Verkauf von hochpreisigem Lagerbestand verlangsamen. Für Einzelhändler:innen ist dies eine Zeit des Wandels, auch wenn es nur darum geht, mit den Erwartungen der Verbraucher:innen Schritt zu halten.
Allerdings gibt es seit 2024 einige Verbesserungen: Die Gaspreise sinken und Unternehmen finden zunehmend einen Umgang mit neuen Technologien, die ihre bestehenden Lieferketten automatisieren und optimieren können.
Die SAP-Umfrage hat ergeben, dass die Mehrheit der Marken plant, ihre globalen Lieferkettenoperationen durch die Einführung neuer Technologien, die Implementierung von Notfallmaßnahmen, das Halten von mehr Lagerbeständen und die Diversifizierung von Produktquellen zu stärken.